WM-Maskottchen: Goleo, der 60 Millionste

Betrachten wir zunchst die Seite der Marketingstrategen. Ein kuscheliger Lwe, gro und tapsig, ausgestattet mit einem optimistischen Grinsen, wird den ihm zugedachten Auftrag bestimmt erfllen. Nein, nicht der WM und dem Gastgeberland ein positives Image verleihen. Vielmehr wird er die Kinderherzen und mit ihnen die der Eltern erobern. Erweicht von den flehenden Blicken der Kleinen

Betrachten wir zunächst die Seite der Mar­ke­ting­stra­tegen. Ein kusche­liger Löwe, groß und tapsig, aus­ge­stattet mit einem opti­mis­ti­schen Grinsen, wird den ihm zuge­dachten Auf­trag bestimmt erfüllen. Nein, nicht der WM und dem Gast­ge­ber­land ein posi­tives Image ver­leihen. Viel­mehr wird er die Kin­der­herzen und mit ihnen die der Eltern erobern. Erweicht von den fle­henden Bli­cken der Kleinen werden die Kauf­be­rech­tigten in den nächsten 571 Tagen bis zur WM und sicher auch noch ein paar Wer­be­blöcke später ihre Geld­beutel zücken und die ach so großen Wün­sche erfüllen. Das Stoff­tier Goleo werden sie ihren Lieb­lingen gönnen, natür­lich auch seinen Freund Pille, dazu noch T‑Shirts, Mützen, Bücher, Videos, Spiele und was die Kauf­haus­re­gale noch so alles her­geben. Nach dem Shop­ping können Sie sich dann mit der ganzen Familie in die ver­mut­lich bis auf die Straße quel­lenden Schlangen aus­ge­hun­gerter WM-Enthu­si­asten ein­reihen, um das beim großen M lie­be­voll zusam­men­ge­stellte Maxi-Menü samt Goleo-Cola und Mc Pille zu erstehen. Übri­gens, kleiner Tipp am Rande: Mit den lus­tigen Heften zum Aus­malen können Sie heute schon mal anfangen, zum Ein­ge­wöhnen an den neuen Mit­be­wohner sozu­sagen. Und morgen gibt’s dann auch schon die ersten T‑Shirts. Aber Vor­sicht, liebe Eltern! Den Kauf­rausch nur langsam stei­gern. Denn zu Weih­nachten 2005 haben die Ver­markter den Groß­an­griff geplant. Und dann wird es bestimmt noch einige Wün­sche mehr zu erfüllen geben. Am Ende sollen welt­weit min­des­tens 1,6 Mil­li­arden Euro mit den WM-Arti­keln ein­ge­nommen worden sein. Viel­leicht werden Sie sich dann glück­lich schätzen können, Goleo, den 60 Mil­li­onsten Ihr Eigen nennen zu können.

Wenden wir den Blick ab von diesem glo­balen Sze­nario der Glück­se­lig­keit und schauen wir hinab zu den aus ihren Löchern krie­chenden, ätzenden Kri­ti­kern. OK-Chef Franz Becken­bauer zum Bei­spiel hatte es am Sams­tag­abend bei der offi­zi­ellen Prä­sen­ta­tion auf dem Mes­se­ge­lände in Leipzig schon geahnt: Es wird immer welche geben, die was zu kri­ti­sieren haben.” Wie recht er hat. Franz, der Seher! Schon bei der Lek­türe der ersten Zei­tungen nach dem großen Auf­tritt vor 13,27 Mil­lionen Zuschauern bei Wetten dass..? waren sie da, diese bis­sigen, unschönen und alles zer­re­denden Kom­men­tare irgend­wel­cher Bes­ser­wisser. Fragen werden auf­ge­worfen, die auch die Goleo-Ent­wickler der Jim Henson Com­pany in L.A. und die von Pille aus den Kölner Gum-Stu­dios ins Mark treffen. Ein Lama-Löwe, so undeutsch wie George W. Bush, und dazu noch ein Ball, dem ständig in die Fresse getreten wird, nein, wie soll man das ertragen? Und dann diese Namen: G‑O-L-E‑O, der VI, und sein Anhängsel P‑I-L-L‑E. Was natür­lich bis ins Detail durch­dacht war: Go(a)l, ole und Leo in einem Wort. Aber selbst das reicht diesen scheuß­li­chen Immer­schlauen noch nicht.

Und was pas­sierte nun im Con­gress Center der Messe Leipzig an jenem Sams­tag­abend bei der offi­zi­ellen Pres­se­kon­fe­renz, noch bevor der erste Auf­tritt bei Thomas Gott­schalk anstand? Die Wagen sind jetzt vor­ge­fahren“, bekamen die war­tenden Medi­en­ver­treter zu hören, es dürfte nicht mehr lange dauern.“ Span­nung à la Orga­ni­sa­ti­ons­ko­mitee. Mit rund zehn Minuten Ver­spä­tung betraten dann die Licht­ge­stalt Franz Becken­bauer und ihr bra­si­lia­ni­sches Pen­dant Edson Arantes do Nasci­mento, kurz Pelé, die Bühne. Und nach ein wenig Palaver im Ram­pen­licht („Dieses Mas­kott­chen kann mehr als alle anderen. Ein Uni­ver­sal­genie“) bekamen die rund 50 lech­zenden Foto­grafen und Kame­ra­leute end­lich ihre Bilder, von Goleo, Pille, dem WM-Pokal, und natür­lich den beiden Fifa-Reprä­sen­tanten Becken­bauer und Pelé, immer hübsch begleitet vom all­seits prä­senten Logo der anste­henden WM. Schrei­bende Medi­en­ver­treter waren deut­lich in der Min­der­heit, aber Inhalte sollten in Leipzig sowieso nicht trans­por­tiert werden. Etwa als Pelé zu einem Mas­kott­chen frü­herer Welt­meis­ter­schaften befragt wurde und gestehen musste: Nein, daran kann ich mich nicht erin­nern.“ Schon nach einer runden halben Stunde war alles vorbei. Die Foto­grafen und Kame­ra­leute hatten ihre Bilder („Mal schauen, ob was dabei war“), die schrei­benden Jour­na­listen eine WM-Tasche mit Goleo-T-Shirt, Ball, Auf­kleber, Kugel­schreiber, Ansteck­nadel und zwei Hoch­glanz­ma­ga­zinen. Ver­breiten durften sie indes noch nichts, eine Sperr­frist war ein­zu­halten, bis das Mas­kott­chen publi­kums­wirksam bei Wetten dass..? in Szene gesetzt war.

Wir bleiben ratlos zurück und fragen uns, mit wel­chen Genie­strei­chen wir 2010 in Süd­afrika beglückt werden.

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